Rechnen fällt mir schwer und ich bin immer froh wenn ich meinen eigenen Kram durch habe.

Wolfsohn und ich hatten das Thema im Grunde genommen schon hinter den Kulissen. Das ist eine Diskusion auf die es keine befriedigende Antwort gibt. Handartbeit hat keinen hohen Stellenwert, zumindest nicht in der Textilbranche. Zumal nicht geklärt ist was gilt alles noch als Handarbeit.
Wir hatten hinter den Kulissen das Beispiel des Webstuhls mit Fahrradantrieb, bei dem die Hände beim eigentlichen weben gar nicht mehr in Betrieb sind.Wenn Dein Westernhemd-Weber so ein Teil hat, müssen wir uns über Meterzahlen je Stunde gar nicht mehr unterhalten.
Webe hat gerade den Platz angesprochen. In Köln oder Kiel ist Platz = Geld. Wohnt man aber in einem Ort wie Frellstedt, vielleicht sogar da am Ortsrand im alten elterlichen Hof, dann hast Du vielleicht mehr Platz als Dir lieb ist, es kräht kein Hahn danach ob Du den ganzen Sonntag vor Dich hin ratterst, weil es keiner höhren kann, weil die Erschüterungen Niemanden stören, sich da so einen ollen Webstuhl hin zustellen ist dann kein Ding, wenn man ihn erst einmal gefunden hat.

Es wird immer Jemand kommen der günstiger ist. Wenn mir Leute sagen meine Arbeiten seien zu teuer, dann ist das so. Es tut weh wenn die Leute auf Messen die Massenwaren aus Osteuropa an mir vorbei schleppen. Nun habe ich den Webstuhl mit Schnellschuss und habe darüber nachgedacht, ob ich da mitziehen soll.
Mein Mann hat mir dann erklärt was unterwegs meine Marke ist : Schultertücher in ansprechenden Farben, jedes Einzelne ein Unikat.
Die aus Osteuropa sind alle gleich Zweifarbig, die Fransen sind nicht geknotet, es ist also lieblose Meterware auf Stücken.
Meine Tücher fangen bei 120€ an, die aus Osteuropa kosten glaube ich 70€
Will ich mich tot weben ? Schultertücher sind nach langweiligen Stoffe weben, eine Abwechslung, das Spiel mit Farben tut mir nach Wochen eintönigen Bestellungen abweben gut.
Man kann nie den ganzen Kuchen haben. Die Kollegen aus Osteuropa sind nett, ich habe selbst dort schon Holzarbeiten gekauft, es ist wie es ist.
Wenn Jemand meckert, erkläre ich das einen wirklich niedrigen Stundensatz habe, das es günstiger nicht geht und das Niemand gezwungen ist ein teueres Hobby zu haben. Bei mir diskutieren meist nur Männer, Frauen gucken erschrocken und gehen einfach, Männer kommen mir dann mit "da bekomme ich ja ein Schwert für". Seit ich dann sage "ja aber kein Gutes" habe ich die Lacher auf meiner Seite und oft dann trotzdem verkauft.

Es gibt nur einen Punkt an dem ich wirklich böse werde und das ist das verhökern ohne Gewerbe im großen Stil.
Da schlägt man sich mit all dem Mist im Hintergrund rum : Lucid, AGBs, Versicherung, IHK ... versucht alles richtig zu machen und muss sich dann von Schwarzarbeitern auslachen und die Preise kaputt machen lassen. DAS ärgert mich.

"Frauen gucken erschrocken und gehen einfach." ;-))

Habe ich gestern gefunden: https://www.youtube.com/watch?v=6SrZaKJXzNo
Ein Maßschneider, der alles von Hand näht. Eine Nähmaschine ist zwar im Atelier, aber vielleicht nur für Probestücke.
Eine Hose kostet 700 Euro, ein Anzug 3700 Euro. Ein Anzug braucht 100 Stunden Arbeitszeit. Da kann man sich den Stundenlohn ja ungefähr ausrechnen, wenn man den hochwertigeren, teuren Stoff abzieht.
Wenn man eine Hose und einen Anzug pro Monat verkauft, sollte man nach Abzug aller Kosten davon leben können, bei einer normalen Arbeitszeit.
Muss man halt die Kunden finden, die sich das gönnen. Man sollte vielleicht nicht immer davon ausgehen, wie man selbst aufgewachsen ist, wenn man wenig Geld hatte.
Wahrscheinlich ist es für Leute, die aus "besseren" Verhältnissen stammen und dann einen handwerklichen Beruf ergreifen, leichter. Vom Umfeld, Kontakten und Selbstverständnis her.

eine ehemalige Herrenschneiderin erzählte mir, das sie umngesattelt hat in die ganz hohe Anzugsträgerwelt, da wo man wirklich Maßanzüge trägt. Sie hat sich 2 Kostüme maßgeschneidert, so richtig aufwendige wo an jeder Stelle ein passendes Innenfutter sitzt. Ich habe so etwas in Natura noch nie gesehen, aber ich vermute mal das man es wirklich sieht. Schaut man auf die Blazer von Frau Merkel, denke ich auch das sie alleine eine Schneiderin ernährt. Kleider machen Leute, und ein Blazer von C&A würde warscheinlich im Fernsehen arg auffallen und billig wirken.
Jedenfalls waren diese 2 Kostüme bestehend aus 2 Blazern, 2 Röcken, 2 Hosen und einigen Blusen so vielfältig zu kombinieren das sie mehr nicht benötigt. Diese Klamotten waren ihre Eintrittskarte in den anderen Job. Gewonnen weil sie es selbst konnte (und weil sie ein paar andere Dinge kann und Ausstrahlung hat). Alle 2 Jahre muss sie eine Kombination erneuern, da sie es täglich trägt.
Es gibt also einen Markt für solche Kleidung, wenn man in der Öffentlichkeit vor großem Publikum auftritt, in der Politik, in den Medien.

Auf einer Reenactment-Messe hatte ich mal ein Ehepaar, sie kam gezielt und wollte ein Schultertuch, sie hatte es sich wohl im Internet schon ausgesucht. Er sollte zahlen und fing dann heftig mit Diskutieren an, es war wirklich häßlich, da bekäme er ein Schwert für, er hätte nicht genug Geld dabei ich müsse es billiger ... sie gingen, sie kamen wieder, die Frau kurz vorm Tränenausbruch, er kam und zeigte mir ein Schwert, das weniger gekostet hat, als das Tuch (so sah es auch aus) am Ende hat er angezahlt, ist zum Geldautomat und hat das Tuch genommen. Er hat es der Frau lieblos in den Arm gestopft, es war für alle Beteiligten hässlich. Mir wäre lieber gewesen er hätte sich nach der ersten Diskuion sein Schwert gekauft und nach Hause gefahren.
Es gibt in diesem Hobby Bereich Leute die 700€ für eine Tunica zahlen, da hat das Schwert dann auch dementsprechend mehr gekostet. Zusammen mit Schuhen und anderem Gelumpe steht da auch schon mal ein Luxusauto als historisches Lebensbild. Das sind dann aber keine Dinge die man einfach so in einem Shop kaufen kann, sondern maßangefertigte Repliken nach archäologischen Funden. Wenn das der Mann mit dem billigen Schwert wüsste, der würde tot umfallen. Das sind Leute die für ihren Traum hart sparen, die ihre Urlaube als Akteure in Museen verbringen, auf Feldbetten schlafen und abends am Feuer sitzen. In Wolfssohn Westernsezene ist es vermutlich ähnlich ? Auch da gibt es vermutlich einen Fächer, von knapp über Karnevalskostüm bis zum liebevoll in jedem Detail nachgebildeten Kostümen nach historischen Figuren oder Filmfiguren ?
Diese Streitereien um Details und Preise sind leider normal, unschön aber immer wieder kehrend. Denn man sieht die Preisunterschiede und will/kann sie aber nicht zahlen, und dann gibt es dieses böse Blut. Händler die ein X für ein U ausgeben, sich nicht in die Karten gucken lassen, weil sie tricksen. Aus dem Grund habe ich meinen Blog, da kann man schauen wie besondere Stücke fertig werden, wie viel Aufwand darin steckt.

Die Geschichte mit dem Ehepaar ist traurig. Die Geschichte mit der Schneiderin ist umso schöner.