Mein erster Weblehrer hat einen Stoff aus Wolle für eine Herrenweste gewebt. Der Stoff hatte feine Streifen, die nur dadurch entstanden, dass 8 Fäden S-gedrehtes Garn sich mit 8 Fäden Z-gedrehtem Garn abwechselnden. Ansonsten war das Garn identisch. Sehr feiner Stoff. Ich würde mal schätzen das Garn hatte zwischen Nm 26/2 und 32/2. Bindung 2/2 Spitzköper.

Ja. Das ist wirklich ein Jammer.
Ich hatte ja Blockunterricht in Sindelfingen, wie fast alle Weber damals bundesweit.
Eine Kollegin, ebenfalls Handweberin, ging zu einer noch existierenden industriellen Weberei und fragte, ob sie in den vier Wochen einen Job für sie hätten. Und sie hatten. Es stellte sich heraus, dass sie sehr dankbar für die Unterstützung waren, denn ein Webstuhl sollte neu eingerichtet werden und das kommt in der industriellen Weberei eher selten vor, klar wirtschaftlicher ist es einen Einzug sehr lange zu nutzen, die Ketten sind mehrere hundert m lang, danach wird die Farbe gewechselt und alte und neue Kette angeknotet, bei den Handwebern wird der Webstuhl ständig neu eingerichtet. Meine Ketten sind meist um die 20 m lang, aber viele Handweber arbeiten mit viel kürzeren Ketten.

@Ilka
Wenn ich mal auf dem Ableger der Filati, italienische Garnmesse, in Hamburg bin, dann ist das auffallend. Die Vertreter der Firmen sind ausgebildete Industrie Weber, Spinner und Stricker.

Was für ein spannender Link ! Hab ich sofort mal unter die Favoriten gespeichert.
Tolles Gebäude, die Weberei in der du gearbeitet hast !
Ich kenne mich in der Geschichte der industriellen Weberei nicht so gut aus, weiß aber, dass es auch in Westdeutschland und Süddeutschland Regionen gab, die stark geprägt von der Textilindustrie waren. Aber als ich meine Ausbildung 1986 begann, waren die meisten davon schon aufgegeben und lagen brach. Einige wenige wurden in den letzten Jahrzehnten wiederbelebt. Ich weiß von einer Bandweberei, einem Betrieb für Unterwäsche (Strickerei), einem für Wolllodenstoffe.
Junge Leute, die sich trauen und frisches Design reinbringen und alte Maschinen sowie das Wissen alter Meister nutzen. Auf die sind sie auch angewiesen, wer sonst könnte ihnen Erfahrungen vermitteln ?
Der Gedanke von Regionalität und Nachhaltigkeit könnte noch weiter einiges wiederbeleben.
Höchste Zeit, denn bald gibt es niemanden mehr, der dir erklären kann, wie es funktioniert.

Diese modernen schnellen Webmachinen, die kein Schiffchen mehr brauchen und wo alles mit Luft funktioniert, sind so abstrakt, dass Menschen, die dann Maschinenführer/in in der industriellen Weberei gelernt haben, zwar ihre Maschine bedienen können, aber das Prinzip des Webens nicht verstehen.
Ich konnte das selbst nicht glauben, hatte aber immer wieder Begegnungen mit jüngeren Webern, die mir einerseits erzählt haben, dass sie Weberei gelernt haben, aber mich andrerseits fragten, was ich da eigentlich mache, wenn ich den Webstuhl einrichtete.

Aber wenn ich an moderne Garne denke, frage ich mich gerade, ob die Spinnrichtung immer angegeben wird ? Überlese ich das einfach ?
Ich glaube, ich habe kein S- gesponnenes Garn im Fundus.

Klar zählt man den verdeckten Faden mit.

Das extrem teure Garn ist echt ein Problem.
Für gutes nassgesponnenes Leinen kann man problemlos mehr als 200 € im kg bezahlen.

Ich glaube, da gibt es noch einige ganz andere Probleme bei 24 Fäden/cm.
Du wirst Schwierigkeiten haben, sie so auf den Schäften zu verteilen, dass sie sich nicht behindern aber mehr noch, Schwierigkeiten Garne in der Feinheit zu finden. Ich frag mich gerade, welche Nm die hätten. Vermutlich wäre Nm 40/2 noch zu dick. Das ist jetzt im Kopf überschlagen. Anhand Erfahrungen mit dickeren Garnen. Meine Faustregel würde sagen Nm 48/2,
mein Bauchgefühl ohne Überprüfung war bei Nm 60/2.
Ich hab mal Wollgarn Nm 26/2 gesucht, wobei ich auch 28/2 oder 32/2 genommen hätte. In Merino hat die Wollfabrik da Auswahl, aber ich brauchte eine harte Wolle für die Replike eines Sitzbezugs eines Buckelvolvos. Ich hab lange gesucht und wurde schließlich bei Traub fündig, den es ja heute gar nicht mehr gibt.
Für meinen Trachtenstoff das gleiche Spiel. Halbes Jahr gesucht. Fündig bei Borgs, gibt es heute auch nicht mehr zu dem doppelten, wie von mir kalkulierten Preis. Kein mir bekannter deutscher Garnhandel war bereit das Garn zu bestellen. Schließlich tat es mein Schweizer Garnhandel. Borgs verkaufte nicht direkt an Werkstätten. Geschickt wurde es aber von Schweden direkt an mich. Eine von zwei Hauptfarben. Und 200 g weniger als benötigt, die fand ich dann bei Künzel, die letzten, die er auf Lager hatte. 2 verschiedene Partienummern und beide anders als die große Menge. Zu meinem Glück hatte ich mit doppeltem Faden gewebt und zu noch größeren Glück ergaben die beiden abweichenden Garne zusammen genau den Farbton des bereits gelieferten Garnes.
Die zweite Hauptfarbe bekam ich erst ein halbes Jahr später, weil erst in Skandinavien Sommerpause war und dann das Garn erst nach Riga musste, um gefärbt zu werden.
100 g ungefärbtes Garn fürs Muster bekam ich gar nicht und habe ich aus meinem Fundus genommen. Allerdings war das weicher und ich kann dir ohne Rückmeldung des Kunden sagen, dass das zuerst kaputt gehen wird.