Hallo Ihr, seid Tagen zermarter ich mir das Hirn, weil mir ein bestimmter Fachbegriff einfach nicht einfallen will. Recherche war erfolglos, auch meine wirklich umfangreiche Bücherei zum Thema Weben hilft mir nicht weiter. Nachbehandlung wurde ja schon immer klein geschrieben. Das hat mich schon zu Beginn meiner Ausbildung geärgert und nervt mich noch und ist mir zudem völlig unverständlich, weil in der Weberei so viel an der Erstbehandlung hängt.
Wie heißt der Begriff für die Nachbehandlung eines handgewebten Wollstoffs, der nicht angefilzt werden soll, in der Wäscherei ? Und kennt jemand in der näheren oder weiteren Umgebung von Braunschweig, ich sag mal zwischen Harz und Uelzen, Hannover und Magdeburg noch einen Betrieb, der das traditionelle Wissen noch anwendet und einiges an Erfahrung mitbringt ? Mein Betrieb heir gleich drei Dörfer weiter, mit dem ich vor sechs Jahren noch zusammengearbeitet habe, hat inzwischen aus Altersgründen geschlossen.
Wär der Bringer, wenn mir jemand helfen kann.
WildeWebe (Manager) 04.10.2012 15:41
ZeitenSprung Buch "von der Faser zum Stoff" 21 Auflage S.17+19 heißt es: carbonisieren = reinigen der Wolle von pflanzlichen Bestandteilen wie Klettenreste etc. Veredlung: Walken, Dekatieren, Imprägnieren, Antifilzausrüstung
Könnte das gesuchte Wort dekatieren heißen ?
In der neuren Ausgabe des Buches (32te Auflage) geht es über mehrere Seiten 36 - 39, wenn Du das Buch nicht hast,laß uns telefonieren, das tippe ich nicht ab. :-P Da steht was über Ausrüstungen,Vereedelungen und Dingen die ich nicht verstehe.
ZeitenSprung 04.10.2012 16:11
andi-schuetze Könnte es walken heißen?
andi-schuetze 04.10.2012 17:06
WildeWebe @Zeitensprung Danke für den Buchtipp. Bin mir nicht ganz sicher, glaube aber ich habe das Buch. Das läßt sich ja überprüfen und dekatieren klingt schon mal irgendwie bekannt. Ich war noch nie in der Situation so einen Stoff nachbehandeln lassen zu müssen.
@andi Walken ist ja ein Anfilzen. Das genau soll nicht passieren. Der Stoff ist ein Rockstoff für einen Trachtenverein.
WildeWebe (Manager) 04.10.2012 20:22
Cor-magisDAWANDA Hallo! Mir fallen noch aufrauen, bürsten und (für Samt) scheren ein. Aber die sind wohl eher zu einfach. Die werden Dir wohl nicht entfallen :-)
Cor-magisDAWANDA 04.10.2012 22:18
WildeWebe Sie gehen vor allem in die völlig falsche Rcihtung. Ich möchte einen glatten, knitterfreien Wollstoff erzielen.
Salixgirl Das habe ich in meiner Ausbildung auch mal gehört, nun habe ich dieses Wissen wieder präsent, danke Silvia und Antigone!
Salixgirl 05.10.2012 12:35
WildeWebe Ja, was man in der Ausbildung so alles hört, und von dem nicht mal die unterrichtenden Meisterinnen wirklich wissen, wie es funktioniert. Ich sag nur Schlichten. War eine Frage in der Meisterprüfung : *Was machen Sie, wenn Kettfäden eines pflanzlichen Materials immer wieder reißen, es aber nicht an der Mechanik des Webstuhl liegt.* Antwort : *Schlichten*. Nachher bin ich hin und habe die Meisterin gefragt, ob sie ein Rezept für mich hätte oder einen Erfahrungsbericht ? Fehlanzeige. Ich hab übrigens in einem Antiquariat Texte zum Schlichten gefunden. Aber getan habe ich es auch immer noch nicht.
WildeWebe (Manager) 05.10.2012 13:09
ZeitenSprung Antigone, womit schlichten die ? Wenns was anderes ist als Mehl wäre ich interessiert. Ich habs schon mal mit Knochenleim gemacht.
ZeitenSprung 05.10.2012 13:49
WildeWebe Pflanzliche Fasern mit Getreidepampe, tierische Fasern mit Knochenleim, oder aber Roggenpampe. Roggen hat den größten Kleberanteil.
WildeWebe (Manager) 05.10.2012 15:46
ZeitenSprung Haste da ne ISDN Nr vom Buch ? Lohnt es sich das mal per Fernleihe kommen zu lassen ? Oder gibt es ein Rezept für die Knochenleimschlichte ? Das such ich seit Jahren.
WildeWebe Es gibt sehr viele Rezepte und ich kann gerne mal gucken. Das Buch ist von vor ISDN Nummern. Aber dennoch könnte man es eventuell aus irgendeinem Magazin leihen. Ich versuch mal dran zu denken, wenn ich das nächste Mal in der Werkstatt bin. Es ist ein Jahrbuch zur textilen Wirtschaft.
WildeWebe (Manager) 05.10.2012 17:44
Salixgirl Wir haben damals viiieeel mit Leinen gewebt und die Meisterin hat viiiieeel vom Schlichten erzählt. Gemacht haben wir es aber nie!
Dekatieren hab ich tatsächlich vieleicht 2 mal gehört.
Salixgirl 06.10.2012 13:13
WildeWebe Ich war ja so unglaublich mutig, oder dumm, oder überheblich ?, ich habe mein Gesellenstück in Vollleinen gewebt. In einem süddeutschen Sommer ! Vor allem die 10 cm links und rechts vom Rand sahen aus, als entwickele ich eine neue Technik der Stecknadelquerstickerei. Da hätte ich Kenntnisse übers Schlichten gut gebrauchen können. Aber meine Meisterin wußte es auch nicht wirklich, hat mir aber den Tipp der Sprühstärke gegeben. Das hat zumindest etwas gelindert. Auch nasses Laken auf die Kette legen über Nacht hilft. weil Leinen feucht, nicht zu feucht natürlich, widerstandsfähiger ist. Auf einem Markt, auf dem ich auch webte, hatte ich Probleme mit einer Farbe in der Kette. Vor allem wieder am Rand, ich habe mir aus der Küche einige Eßlöffel Mehl geben lassen und dann mit den Fingern alle paar cm, jedesmal beim Vorlassen die äußeren zwei cm eingeschmiert. Hat tatsächlich geholfen ! http://de.dawanda.com/product/10949774-h...en-in-34-Leinen
WildeWebe (Manager) 06.10.2012 15:56
ute-richter Danke für den Wikipedia-Link; das ist ja eine interessante Schilderung dieser Nachbehandlungsform. Hoffentlich findest Du jemanden, der das anbietet für Deine Stoffmenge.
ute-richter 06.10.2012 19:21
WildeWebe Ich habe eine Beschreibung auf Dänisch bekommen per Pdf. Übers dekatieren für den Hausgebrauch und bin ehrlich überrascht. Hat meinen Horizont sehr erweitert. Ist gut bebildert, so daß man auch ohne große Dänisch Kenntnisse, einen Eindruck bekommt. Wer gerne eine Pdf zugesand bekommen möchte, meldet sich bitte bei mir. Oder besser noch ihr macht hier ne Liste und ich schicke es dann gesammelt an alle Interessenten raus. Natürlich darf jeder, der später mal über diesen Thread stolpert sich noch einzeln melden ;))
WildeWebe (Manager) 09.10.2012 10:54
WildeWebe So, nun gilts : Ich zitiere aus Jahrbuch 1926 für Spinnerei, Weberei und Textilchemie von Dr. Schams
Schams ist einer der wichtigsten Autoren und er hat Unmengen zusammengeschrieben und gesammelt. Es lohnt sich wirklich in Antiquarien zu suchen. Dort wird man in vielen Fragen zur Weberei eher fündig als in einer Buchhandlung. Fragen der Nachbehandlung, der Färberei und des Bleichens werden zu der Zeit noch unter Textilchemie behandelt.
Nachfolgend einige Schlichterezepte, die in der Praxis vielfach und mit gutem Erfolg erprobt wurden für :
(Achtung ! Die trockenen Zutaten bis auf das Kartoffelmehl werden immer zuerst trocken zusammengemischt !!)
1. Wollene Zwirnketten auf 100 Liter Wasser 4 - 5 kg Kartoffelmehl 200 g Weizenmehl 200 g Roggenmehl 15 g Talkum 100 g Borax 5 g Zinkvitriol
2. Einfache Wollketten 100 Liter Wasser 11 - 13 kg Kartoffelmehl 200 g Roggenmehl 200g Weizenmehl 150 g Talkum 100 g Borax 5 g Zinkvitriol
3. Kammgarnketten 100 Liter Wasser 5 - 6 kg Kartoffelmehl 200 g Roggenmehl 200 g Weizenmehl 150 g Talkum 100 g Borax 5 g Zinkvitriol
4. Ungefärbte Baumwollketten 100 Liter Wasser 7 - 8 kg Kartoffelmehl 200 g Roggenmehl 200 g Weizenmehl 150 g Talkum 100 g Stearinpulver 10 g Zinkvitriop
5. Gefärbte Baumwollketten Wie unter 4 angegeben, jedaoch nur mit 4 - 5 kg Kartoffelmehl.
6. Packleinenkette Auf 100 Liter Wasser 24 kg Kartoffelmehl, sowie eine hiervon getrennt bereitete trockene, pulverförmige Mischung von 800 g Roggenmehl, 800g Weizenmehl. 400 g Talkum, 400 g Borax und 30 g Zinkvitriol. Man Kocht 25 Minuten mit Dampf
7. Feine Leinenketten 300 Liter Wasser 15 kg Kartoffelmehl 200 g Roggenmehl 200 g Weizenmehl 150 g Talkum 100 g Borax 5 g Zinkvitriol 200 g Stearinpulver Man kocht 20 Minuten mit Dampf
8. Juteketten 300 Liter Wasser 15 kg Kartoffelmehl 600 g Roggenmehl 600 g Weizenmehl 450 g Talkum 400 g Borax 30 g Zinkvitriol 200 g Stearinpulver
Ob mehr kartoffelmehl oder mehr pulverförmiger Schlichtezusatz für die einzelnen Ketten nötig ist. läßt sich leicht feststellen. Wünscht man ein schnelleres Trocknen der Ketten, so erhöhe man den Boraxzusatz. Die Schlichte darf nur mit Dampf gekocht werden. Der Mischbottich muß gut gereinigt und mit der erforderlichen Menge kalten Wassers angefüllt sein, damit das Kartoffelmehl gründlich verrührt werden kann. Ein zu langes Kochen zerstört die Bindekraft der Schlichte. Den pulverförmigen Schlichtezusatz löst man mit kaltem Wasser und gießt ihn unter anhaltendem Rühren langsam in die Kartoffelmehl Lösung. Für Wolle muß die Mischung 20 - 25 Minuten kochen. Sie ist gebrauchsfertig, wenn sie wie Öl vom Rührscheit läuft. Ist die Mischung zu dick, so ist dieselbe durch Zugießen von heißem Wasser zu verdünnen und einige Zeit zu kochen, bis man die richtige Konsitenzerreicht hat. Ist die lösung zu dünn, so reguliertman sie durch Zufgabe von in heißem Wasser verrührtem Kartoffelmehl, der man eine entsprechende Menge gelösten pulverförmigem Schlichtezusatzes beigemischt hat.
WildeWebe (Manager) 09.10.2012 15:19
WildeWebe Liebe WeberInnen ;)) achtet auf die Dezimalzahlen. Am besten sollte die Schlichte heiß aufgetragen werden. Die eigentlich schlichtende Wirkung kommt durchs Mehl, die anderen Zutaten sind zur Konservierung, zum Geschmeidig erhalten der Kette und damit die Substanz besser in die Kettfäden eindringt.
Wollketten werden normalerweise nicht geschlichtet, sondern geleimt, dafür gibt es in diesem Jahrbuch aber leider kein Rezept.
WildeWebe (Manager) 09.10.2012 15:22
ZeitenSprung Herzlichen Dank für die Mühe ! Ich habs mir gleich ausgedruckt.
ZeitenSprung 09.10.2012 17:12
Liebe Antigone, mich würde die erwähnte dänische Beschreibung sehr interessieren und ich freue mich, wenn Du mir das PDF schicken kannst. Traust Du Dich daraufhin, die Stoffmenge zu Hause zu dekatieren?? Auf jeden Fall wünsch´ich Dir, dass der Stoff so wird, wie Du es Dir vorstellst!
ute-richter 15.10.2012 14:14
WildeWebe So Leute. Ich bin fündig geworden. Man soll es ja nicht für möglich halten. Hier in Goslar gibt es einen Textilreiniger, der sich um die Verarbeitung von Wollstoffen kümmert und der vermutet, das er der einzige für Nord- und Mitteldeutschland ist. Falls jemals jemand von Euch einen solchen Betrieb braucht : Hier der link. www.textilpflege-kaiser.de
und macht vorher gleich ca. 1m Probematerial. Wobei er sich bei mir auch mit meinen anfänglichen Proben zur Ketteinstellung und 40 cm Waschprobe in der vollen Breite zufrieden gegeben hat. Die Proben sind bisher leider in der Post hängengeblieben, aber ich habe heute mit ihm telephoniert und er meinte, es sei alles gut gegangen. Ich hatte insbesondere Bedenken, weil mein Musterstreifen in Köper auf Leinwandgrund ist, mein Hauptschußmaterial in Rot leicht überdreht war und mein Musterschuß aus weicherer Wolle als das Hauptmaterial war (das Hauptmaterial in Natur wäre erst in vier !!! Monaten lieferbar gewesen. Die Garnsituation ist auch zum Heulen). Bei dem sehr kleinen Stück, das ich zum Mitgeben hatte, nur 25 x 30 cm lief alles glatt.
WildeWebe (Manager) 04.02.2013 21:45
WildeWebe Neues von der Textilpflegefront. Die Proben sind zurück und ich bin begeistert. Er behandelt tatsächlich mit Wasserdampf und trocknet dann. Und was das allerbeste ist : Es kostet 2,71 €/kg Ware !! Überlegt euch also gut, ob ihr nicht das nächste Mal statt selbst stundenlang den Wollstoff zu dämpfen, mal Porto zahlt und nach Goslar schickt. Mein Stoff geht jetzt Donnerstag auf die Reise. Heute hat die Annahmestelle leider schon zu, weil ich hier auf einem Dorf lebe.
WildeWebe (Manager) 05.02.2013 15:39
margamay Licht am Horizont! Ich halte dir gaaaaanz fest die Daumen, dass ab jetzt alle Hürden überwunden sind und alles nur noch reibungslos glatt und flüssig läuft und schnell geht. Ich hatte zwischendurch das Gefühl, das wird ein Projekt wie der Berliner Flughafen...
margamay 05.02.2013 19:18
WildeWebe Das Gefühl entspricht wirklich sehr dem meinen !!