Hallo Ihr Lieben, ich bin neulich gefragt worden, seit wann Webstühle benutzt werden, also solche, die man nicht so ohne Weiteres transportieren kann. Ich habe mal bei Erika Arndt "Handbuch Weben" nachgeschaut und herausgefunden, daß die Germanen in der Eisenzeit den aufrecht stehenden Gewichtshochwebstuhl hatten (S. 13). Aber eigentlich geht sie eher auf historische Textilien ein, als auf die Webgeräte. Kann mir da jemand weiterhelfen?
Historische Grüße Kathleen
Webspinne 30.09.2013 16:33
ZeitenSprung Hmm ja - da bin ich etwas im Thema. Aber wo fange ich an ? Ich hätte etliche Bilder, die ich aber aus Copyr. Gründen hier nicht einstellen kann. Schau mal hier ist ein Extrem Gerät um große Prunkmäntel zu weben: http://www.kyffnet.de/Ausflugsziele/Burg...lz_tilleda.html Er wird aufs hohe Mittelalter datiert. Viel anders wird der zur Bronzezeit auch nicht ausgesehen haben, außer das er vermutlich nur Leinwandbindung konnte. Die ersten Flachwebstühle dürften so ausgesehen haben ,runter scrollen zu den Weberfresken : http://www.annatextiles.ch/publications/...6/baumwolle.htm
Gerade bin ich etwas in Zeitdruck, aber wir haben ja noch andere historische Weber hier. :-)
ZeitenSprung 30.09.2013 17:50
RabenPfad Gewichtswebstühle sind deutlich älter als Eisenzeit, im Val Camonica gibt es Felsbilder aus der Bronzezeit, auf denen Gewichtswebstühle abgebildet sind. Zumindest laut Wikipedia datieren die Abbildungen der Webere etwa 2500 bis 1200 v. Chr., also frühe bis mittlere Bronzezeit.
WildeWebe Ich weiß es auch nicht genau, kann aber noch mal eine Freundin fragen, die da gerade sehr recherchiert hat. Was ich weiß, die Schnellade wurde 1733 von einem Briten entwickelt, ab 1760 begann sich das durchzusetzen. Der Kontermarsch wurde danach entwickelt. Muß aber schnell gegangen sein, denn 1806 wurde bereits der erste Jaquardwebstuhl in Betrieb genommen.
Dann ist noch zu bedenken, das sich das Weben in allen Kulturen entwickelt hat. Mit unterschiedlichen Techniken. Deshalb müßte man die Frage stellen, ab wann gab es in welchem Kulturraum einen Webstuhl, der wie aussieht. Ich vermute, das es die heutige Form des Flachwebstuhls mit Schäften und Tritten in Europa seid ca. 1500 gibt. Aber ich werd noch mal fragen, vielleicht weiß meine Freundin mehr.
@zeitensprung Ist der berühmte Mantel (Thorsfelder ), der im Moor gefunden wurde und im Museum Neumünster nachgewebt wurde nicht Bronzezeit ? Ich war mir da eigentlich ziemlich sicher, auch wenn ich nicht mehr genau weiß, wie er hieß ;). Das war auf jeden Fall keine Leinenbindung, sondern ein Spitzköper 2/2, der zur Raute geschlossen wurde und was besonders interessant ist, als Partiengewebe eingerichtet war. Das heißt für diese Bindung bräuchte man auf einem modernen Webstuhl 8 Schäfte. Auf jeden Fall würde dieser Mantel auf einem Gewichtswebstuhl gewebt. Wie die zusätzlichen Schäfte ersetzt wurden, hab ich leider vergessen, möglich wäre, das mit Lesestab gearbeitet wurde. Mit einer der Gründe, warum ich Schwieirgkeiten mit den Ansprüchen mancher Mittelaltermärkte Veranstalter nur auf 4 Schäften weben zu dürfen, will man dort mitmachen.
WildeWebe (Manager) 01.10.2013 02:02
ZeitenSprung Hier kann man einige Details erkennen, wobei es um 1500 schön sehr feine und auch aufwendig gemusterte Stoffe gab, die mehr als zwei Schäfte erfordern.
Der Mantel wird Thorsbergmantel genannt, da gibt es auch eine Hose und eine Tunika dazu. Ja das ist alles in Diamant und Fischgrätköper, mit angewobenen Brettchenborten an den Kanten.
Ich meinte gestern in der Hektik die frühe Bronzezeit. Das war ja auch ne recht lange Epoche, die Bronzezeit. Schöne Literatur dazu: http://www.amazon.de/Pr%C3%A4historische...s/dp/3902421509 Da gibt es auch was Virtuelles, ich finde es aber gerade nicht.
So richtig tief im Thema historische Webereien ist meine Freundin Marled, die sich seit über 30 Jahren damit beschäftigt: http://textileflaeche.blogspot.de/
@Antigone vergiss Mittelaltermärkte, das könnte man auch Themenkirmes nennen. Du darfst uns nicht alle in einen Sack stecken, das ist so als würdest Du davon ausgehen, das alle Sportler Fussball spielen. ;-)
WildeWebe @Zeitensprung Keine Sorge ich steck euch nicht in den Sack *Mittelaltermarkt* ;)) Hier ist mir noch niemand mit dem Marktsprech Kauderwelsch begegnet ;))
WildeWebe (Manager) 01.10.2013 11:11
ZeitenSprung Hach - PUHHHH. Da habe ich je mal wieder Glück gehabt. :-)
ZeitenSprung 01.10.2013 12:16
Cor-magisDAWANDA Hi! Ich meine, auf griechischen Vasen sind auch Webstühle abgebildet, oder? Bei den Germanen gab es auf alle Fälle alle Arten von Fischgrät-, Diamant-, Rosettenköper, die wohl am Gewichtswebstuhl alle mit 4 Litzenstäben gewebt werden können. Ist aber Hörensagen meinerseits, ich habe mir das noch nicht angetan. Habe seit 4 Jahren immer noch das gleiche Tuch auf meinem Gewichtswebstuhl und bin mir nicht sicher, ob ich es in diesem Leben noch fertig bekomme
"Themenkirmes" ist schön *lach* Ich geh gern auf MA-Märkte, fühl mich da aber in Gothic- und Steampunk-Gewandung auch sehr wohl. Sagt wohl alles, oder?
Cor-magisDAWANDA 01.10.2013 13:20
Handgewebe Hallo, ich habe einen Link zu Holzkircher, da steht einiges zum Thema.
RabenPfad Der Thorsbergmantel ist römische Kaiserzeit, 3. oder 4. Jhd. NACH Christus, also wenn´s hoch angesetzt wird knappe 3000 Jahre nach den Abbildungen im Val Camonica.
Ich habe gerade nochmal ein bißchen gespickt: die ältesten gefundenen Webgewichte sind sogar noch älte und stammen aus dem Spätneolithikum, also Steinzeit, um etwa 3000 VOR Christus. Also immerhin die Gewichte, die auf eine Art Gewichtswebstuhl hindeuten.
Für die Bronzezeit kenne ich in der Tat fast nur Leinwandbindung, allerdings sind viele Stoffe anschließend noch gewalkt. Bei den Textilien der dänischen Baumsargfunde sind absolut abgefahrene Sachen dabei: ganz feine Gewebe aus Ziegenhaar und gewebte Textilien mit eingeknoteten Tierhaaren.
Webspinne hey, vielen Dank für Eure vielen und interessanten Informationen. Ich hatte mich schon früher für die Geschichte der Weberei interessiert, aber nie etwas derart Aufschlussreiches gefunden. Also kann ich zusammenfassend sagen, dass es aufgrund der vergänglichen Materialien nicht so leicht ist, genauere Angaben darüber zu machen, wann welche Gewebe hergestellt und wann welche Webeinrichtungen verwendet wurden. Aber man kann die Entwicklung der ersten Webstühle in die Bronzezeit setzen, richtig? Im Übrigen habe ich zu Mittelaltermärkten auch ein etwas gespanntes Verhältnis. Aber ich denke, es ist heute sowieso nicht mehr möglich, das Leben der Menschen im Mittelalter genau nachzuempfinden, dazu fehlt uns heute einfach deren Denkweise. Es ist ja schon kaum noch möglich, sich vorzustellen, wie die Menschen in der DDR gedacht und gelebt haben, und das ist nicht so lange her. Eine Freundin von mir geht gern auf MA-Märkte, weil sie dort unter Menschen kommt, direkt mit ihnen spricht und nicht über Handy oder Facebook, weil sie etwas Abstand vom hektischen Alltag gewinnt, und dabei noch die Gelegenheit findet, altes Handwerk zu pflegen. Für mich ist das in Ordnung.
Webspinne 02.10.2013 08:53
ZeitenSprung Hmm - nein Du musst früher ansetzen. Man hat schon zur Steinzeit gewoben. Da gibt es natürlich keine Webstühle die erhalten sind, aber Gewebefragmente. Man geht davon aus, das die ersten Gewebe aus pflanzlichen Fasern waren. Da die Idee von Nutzvieh erst später einsetzt. Die Herstellung von Geweben liegt wohl mit der Herstellung von Flechtkörben nicht weit auseinander. Prominentes Beispiel für frühe Textilien und Bekleidung, ist Ötzi. Der Mensch war schon immer sehr findig, nur fehlten ihm anfangs die Mittel, dumm war der Mensch jedoch nie. Auch Schmuck wurde schon getragen. So aus dem Gedächtnis fällt mir ein gewobener Regenmantel aus Gras ein, der locker verwoben ist, und in den zusätzlich Grashalme so eingeflochten sind, das sie runter hängen. Sieht ein wenig wie diese komischen Sonnenschirme aus, die aus Raffiabast sind. Der ist sogar ohne Webgerät herstellt, so eine Art Zwischending aus Korb und Textil. https://www.youtube.com/watch?v=oCncExkiGUk Nicht vergessen die Steinzeit hat ziemlich lange gedauert, und sie ist in mehrere Epochen aufgeteilt. Am Ende gab es sogar eine Kupfersteinzeit.
ZeitenSprung 02.10.2013 09:24
Webspinne ja, jetzt wird es mir langsam klar, so kann ich es auch weitergeben, wenn mich wieder mal jemand fragt. Das Video ist toll - danke. Ich selbst webe ja viel mit dem mobilen Gurtwebgerät und bin damit immer auf Märkten unterwegs, denn erstens kann ich keinen Webstuhl transportieren, zweitens brauche ich so nicht viel Platz. Dieses mobile Gerät wurde, denke ich, vom sehr frühen Menschen benutzt, als er noch keinen festen Wohnsitz mit Ackerbau und Viehzucht hatte.
Webspinne 02.10.2013 11:48
ZeitenSprung In einer Doku habe ich mal gesehen, wie Wüstenbewohner (Nomaden) aus schwarzer Yak Wolle Zeltbahnen gewoben haben. Dazu wurden Pflöcke in den Boden geschlagen, und der Webstuhl war gar keiner, es wurde am Boden sitzend mit einem breiten Gurt gewebt. In einer anderen Doku sah ich wie ein Halbkreismantel an einem Stück mit Kapuze gewoben wurde, am Gewichtswebstuhl. Dazu war der Kettbaum in drei Teile gegliedert und konnte nach bedarf dazu oder weg genommen werden. So entsteht auch die Rundung. Von diesen einfachen Webgeräten gibt es in den unterschiedlichen Kulturen ganz unterschiedliche Geräte. Total spannend !
ZeitenSprung 02.10.2013 12:41
Webspinne Von so einem "Webstuhl" der Wüstenbewohner habe ich ein Bild vor Augen, aber ich weiß nicht mehr, wo ich es gesehen habe. Vielleicht in einer Ausgabe des "Vävmagazinet". Von einem dreiteiligen Kettbaum habe ich dagegen noch nie gehört - ja die Menschen waren schon immer findige Köpfchen. In Guatemala wird ja unter anderem auch heute noch mit dem backstraploom gewebt, wobei ganz raffinierte Muster entstehen. Ich habe mir vor Kurzem das Buch "Einfaches Weben" von Rudolf und Helene Riedinger gekauft. Und vielleicht baue ich mir mal so ein Gerät.
Webspinne 04.10.2013 08:46
margamay ...das ist echt interessant hier...
margamay 04.10.2013 18:35
WildeWebe Zu Afrika und Nomaden Es gibt auch die Form mit zwei Schäften und Tritten, aber ohne Kettbaum. Die Kette liegt im Schärzopf auf einem beschwerten Schlitten und rutscht stück für Stück nach. Die Spannung wird durch das Beschweren im gesamten Zopf erreicht. Ich hab die Technik zum alleine Bäumen mal abgewandeld und hab statt eines haltenden Helfers einen Schlitten gebaut (umgedrehte Webbank), der nachrutschte. http://s32.dawandastatic.com/Message2/53...1007339-326.jpg
WildeWebe (Manager) 05.10.2013 23:09
Webspinne zu helfen muß man sich wissen!! :)) Wenn mal kein starker Mann in der Nähe ist, der sich in die Kette hängt. Bei uns liegt allerdings überall Teppich, der das Nachrutschen ja stark bremst, ich glaube, ein glatter Boden eignet sich dafür besser.
Webspinne 07.10.2013 22:22
WildeWebe Meine Werkstatt hat einen flachflorigen Teppichboden. Ging trotzdem gut. Bei einem glatten Boden würde vielleicht nicht genug Widerstand aufgebaut.
WildeWebe (Manager) 08.10.2013 09:37
Webspinne Stimmt auch wieder. Jedenfalls habe ich's im Hinterstübchen gespeichert und werde es bei der nächsten Gelegenheit mal ausprobieren.
Webspinne 08.10.2013 17:50
Auf Laminat würde das vermutlich nicht funktionieren, geht bei mir also schon mal nicht
gabyps 30.08.2014 08:50
WildeWebe Natürlich funktioniert das auf Laminat ! Aber das ist wesentlich schwieriger, als mit einer Helferin.
Und ähhm, ich wußte gar nicht mehr, das ich das Photo schon einmal gepostet hatte. Wollt euch nicht für Begriffsstutzig verkaufen ;))